Von Maulscharten und Zauberschlingen auf der Burg Steinsberg
(25. August 2022)
Warum führt der Weg hinauf in eine Burg meist rechts herum? Burgwächter Wolf, natürlich im mittelalterlichen Gewand gekleidet, blickt in die interessierten Gesichter der 19 Stimme-Leser, eine Antwort aber bekommt er nicht. Dann zückt er den Dolch − keine Sorge, nur zur Demonstration. Mit der Waffe in der rechten und dem Schild in der linken Hand waren Angreifer auf ihren Weg in die Burg an der rechten Flanke schutzlos. Dort konnten die Verteidiger von oben angreifen.
Die Bedeutung der Zauberschlinge lässt sich nur erahnen
Diese und weitere spannende Anekdoten aus dem mittelalterlichen Burgleben präsentiert „Burgwächter Wolf“, der im wahren Leben Wolfgang Stejskal heißt, den Lesersommer-Teilnehmern mit viel Hingabe und Charme. Der pensionierte Lehrer, der ehrenamtlich durch die Burg Steinsberg führt, lenkt die Blicke seiner Gruppe gerne auf die Details der Kraichgau-Festung. Wie auf die geheimnisvolle Zauberschlinge, die auf einer der Mauern prangt und deren Bedeutung bis heute nur erahnt werden kann. Oder auf die Schießscharten, die je nach Form entweder Schlitz- oder Maulscharte genannt werden und aus denen angreifende Truppen mit Pfeilhagel begrüßt wurden.
Schöner wohnen im Mittelalter
Erlebt hat die Burg schon die eine oder andere Schlacht. Die Leser erfahren viel über ihre wechselhafte Geschichte, von ihrer Erbauung um 1220 bis zum Verkauf an die Stadt Sinsheim im Jahr 1972. Auch, dass sich schon bei Burgen vieles um das Thema „Schöner Wohnen“ drehte. Aus dem Wohnturm wird im Laufe der Zeit ein bequemerer Palas und der 30 Meter hohe achteckige Bergfried soll vor allem eines demonstrieren: Pracht und Prunk der Burgherren. Die Teilnehmer jedenfalls sind fasziniert und folgen selbst bei größter Nachmittagshitze dem Burgführer die über 130 Stufen hinauf auf den imposanten Turm. Die Strapazen des Aufstiegs werden durch die atemberaubende Aussicht mehr als entschädigt. Der „Kompass des Kraichgau“, wie die Burg Steinsberg auch genannt wird, gewährt an diesem Tag den ungetrübten Blick in alle Richtungen.
Applaus für den Burgführer
„Wo ist mein Waldangelloch?“, fragt Leser Günter Hagmaier und blickt vom Turm hinab gen Osten. Dort ist er aufgewachsen, wohnt jetzt in Heilbronn-Biberach und freut sich, die Burg wieder zu besichtigen. Auch Susanne Schneider-Weigl aus Pfedelbach hat die Lesersommer-Gelegenheit genutzt: „Ich war schon so oft in der Badewelt Sinsheim und sehe von dort immer die Burg, war aber nie da.“ Sabine Zehetner aus Bad Friedrichshall hat ihren Sohn Moritz mitgebracht. Beide sind begeistert, nicht nur vom Ausblick, auch von der anschaulichen Führung. Der Applaus für „Burgwächter Wolf“ fällt von allen Teilnehmern zum Finale entsprechend kräftig aus.
Stilecht im mittelalterlichen Gewand führt Burgwächter Wolf alias Wolfgang Stejskal die Leser durch die Geschichte der Burg Steinsberg. Hier erklärt er anschaulich den Bau des 30 Meter hohen Bergfrieds. Foto: Helmut Melchert
Der Aufstieg ist mühsam, die Aussicht herrlich: Oben auf dem Bergfried weht auch immer eine Brise. Foto: HELMUT MELCHERT